Wie kommt Wissen in Bewegung? Stadtgespräch: Mobilität und Beteiligung in der Stadt

Am 18.04.2024 öffnete die Agentur des Städtischen Wandels ihre Türen und lud die Frankfurter*innen zu einem Gespräch über Mobilität und Beteiligung in der Stadt ein. Die Überschrift lautete: „Wie kommt Wissen in Bewegung?“ Organisiert wurde diese kostenlose und öffentliche Veranstaltung in enger Zusammenarbeit mehrerer Forschungsprojekte und Institutionen.

© Stefanie Kößling

Das Organisationsteam bestand aus Martin Herrnstadt, Leiter des internationalen Forschungsnetzwerks „Globale Enquêtenkulturen: Ansätze zu einer Praxeologie der Erhebung (17.–21. Jahrhundert)“ am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bremen, Timotheus Kartmann mit seinem Forschungsprojekt „Das soziale Museum“ und Janine Hagemeister und Catharina Dietrich aus dem Projekt “Datenpolitiken auf der Spur“. Das Ziel war es, verschiedene Positionen und Perspektiven von Expert*innen aus Stadtgesellschaft, Wissenschaft, und Verwaltung zusammenzutragen und ins Gespräch zu bringen.

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Den Auftakt machte Johanna Lanio von der Polytechnischen Gesellschaft, die in einem kurzen Beitrag die Umfrage „Frankfurt Next Generation“ vorstellte. Diese Umfrage richtete sich an Nutzer*innen digitaler Plattformen und war als niedrigschwelliges Beteiligungsangebot konzipiert. Im Anschluss moderierten wir eine Podiumsdiskussion, in der die geladenen Expert*innen über ihre Erfahrungen mit Beteiligungsprozessen und Wissensproduktion im Kontext der Stadtentwicklung berichteten.

Isabel Istel vom Verein Umweltlernen in Frankfurt e.V. gab dabei spannende Einblicke in die Beteiligungsprojekte mit Kindern und Jugendlichen, die Teil des Prozesses zur Erstellung des Masterplans Mobilität waren. Die Projekte, an denen Schüler*innen aus Frankfurter Schulen beteiligt waren, stießen sowohl im Podium als auch im Publikum auf große Zustimmung. Mehrere Stimmen aus dem Publikum betonten, dass solche Formate verstärkt angeboten werden sollten, um jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Stadt aktiv mitzugestalten. Tobias Krauch stellte die Beteiligungsprojekte des Deutschen Architekturmuseums und der Agentur des Städtischen Wandels vor und erklärte, wie Reallabore genutzt werden, um in verschiedenen Stadträumen Beteiligung zu initiieren und neue Formen des Dialogs zu erproben.

Diese praxisnahen Erfahrungsberichte ergänzte Nils Güttler um eine wissenschaftliche Einordnung. Als Wissenschaftshistoriker an der Universität Wien forscht er unter anderem zu „Gegenwissen” und Beteiligung und verknüpfte im Podiumsgespräch die Erkenntnisse aus seiner historischen Forschung mit aktuellen Fragestellungen. Er spannte einen Bogen zu den Protesten gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens in den 1980er Jahren, bei denen Bürger*innen eigenes Wissen produzierten, um hegemoniale Strukturen herauszufordern. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass sich die Rahmenbedingungen für Beteiligung wie auch ihre politischen Bedeutung seitdem verändert hätten. Die Einbindung des Wissens aus der Stadtgesellschaft sei heute viel selbstverständlicher.

© Stefanie Kößling
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Während der Diskussion wurde deutlich, dass Beteiligung nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen mit sich bringt. Sebastian Kotek von der Superblock Initiative in Bockenheim und Beatrix Baltabol für den Radentscheid sprachen darüber, was ehrenamtliches Engagement alles leisten kann und welche Unterstützung Initiativen brauchen. Mit Stephan Böhm-Ott vom Dezernat Planen und Wohnen war auch ein Vertreter der Stadt anwesend und bereicherte das Gespräch mit seiner Sicht auf Möglichkeiten und Unmöglichkeiten in der Stadtplanung.

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Isabel Istel sprach über die Schwierigkeiten, die besonders in der Zusammenarbeit mit Jugendlichen sichtbar würden. Sie schilderte, wie wichtig es sei, dass junge Menschen durch Beteiligungsprojekte Demokratie erleben können. Dabei wurde jedoch auch die Frustration thematisiert, die entsteht, wenn einfache Wünsche, wie die Einrichtung eines Zebrastreifens, erst nach langer Zeit umgesetzt würden – oft erst so spät, dass, wenn es soweit sei, die Jugendlichen ihre Schule längst gewechselt hätten. Mehrere Podiumsgäste hoben hervor, dass Beteiligungsprojekte sichtbarer gemacht werden sollten, um den Austausch unterschiedlicher Perspektiven zu fördern und langfristig mehr Wirkung zu erzielen.

Die lebhafte Publikumsdiskussion bildete das Kernstück des Abends. Zahlreiche Besucher*innen brachten ihre eigenen Erfahrungen ein und bereicherten die Debatte mit ihren Blickwinkeln. Da das Podium in seiner Besetzung der Diversität der Frankfurter Stadtgesellschaft nicht gerecht werden konnte, war es uns besonders wichtig, allen Stimmen viel Raum zu geben. Wir haben uns gefreut, dass auch ein Vertreter der Frankfurter BehindertenArbeitsGemeinschaft (FBAG) anwesend war und die geschaffene Öffentlichkeit nutzte, um seine Kritik an stadtplanerischen Prozessen zu platzieren.

Nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung blieben viele Gäste zu einem lockeren Austausch bei Getränken. In dieser entspannten Atmosphäre entwickelten sich zahlreiche Gespräche und es wurden neue Kontakte geknüpft.

Im Raum war zudem eine Ausstellung aufgebaut, die verschiedene Aspekte der Beteiligungsprojekte visuell darstellte. Große Poster zeigten die Ergebnisse der Jugendbeteiligung im Rahmen des Masterplans Mobilität sowie Entwürfe des Radentscheids. Die Bürgerinitiative Superblock Bockenheim präsentierte Daten, die ihre Mitglieder in OpenStreetMap gesammelt hatten. Dabei handelte es sich unter anderem um Kartierungen von Gehwegbreiten und Parkregelungen, die von den Aktiven akribisch erfasst wurden.

Der Abend war für uns reich an Einblicken und Perspektivwechseln. Die Veranstaltung hat nicht nur unterschiedliche Akteur*innen zusammengebracht, sondern auch gezeigt, wie viel Wissen und Engagement in der Stadtgesellschaft vorhanden ist.

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